Die 1993 erschienene und inzwischen in der dritten Auflage vorliegende Sagensammlung des Meininger Realschulprofessors Johann Georg Martin Brückner (1800-1881) befand sich lange Zeit unbeachtet als Teil des Nachlasses des Marschalk von Ostheim im Staatsarchiv Bamberg. 1988 begann Marina Scheinost im Rahmen ihrer Magisterarbeit, betreut von Frau Professor Dr. Elisabeth Roth, das handschriftlich vorliegende Material zu untersuchen und transkribierte die 167 von Brückner gesammelten Sagen. Nicht alle Sagen sind unbekannt. Georg Brückner hatte über den Hennebergischen altertumsforschenden Verein, (heute: Hennebergisch-Fränkischer Geschichtsverein), Kontakt zu dem bekannten Märchen- und Sagensammler Ludwig Bechstein (1801-1860), von dem sich einige Handschriften in Brückners Sammlung erhalten haben. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass viele der Sagen in bisher keiner thüringischen Sagensammlung zu finden sind. Brückner nutzte auch seine Stellung als Realschulprofessor, denn diverse Handschriften mit Überschriften, wie z.B. "Sagen und Märchen aus meinem Orte" zeigen, dass er auch seine Schüler als Gewährspersonen heranzog und über sie Informationen und Sagen sammelte. Eine absolute Ausnahme stellt auch Brückners Forschungsansatz dar, alles ohne eigene Veränderungen oder stilistische Verbesserungen zu sammeln, um die Texte z.B. in eine gefälligere Form zu bringen. Seiner Ansicht nach verfälschte dies die zu erwarteten Forschungsergebnisse. Die Texte zeigen deutlich, dass er sich an seine Forderung hielt. Für das 19. Jahrhundert war das ein durchaus innovativer Ansatz.
Die nun in der dritten Auflage vorliegende Sagensammlung Brückners vermittelt Kenntnisse über regionales Erzählgut und über die Grundauffassungen des so produktiv tätigen hennebergisch-fränkischen Geschichtsforschers. Unterstützt vom Fach Volkskunde der Universität Bamberg und dem Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsverein konnte der Verlag Frankenschwelle KG dem literarisch und heimatgeschichtlich orientierten Leser eine unverwechselbare und unbekannte Sammlung vorstellen. Zudem ist der Band ein Beitrag kultureller Begegnung zwischen Franken diesseits und jenseits der thüringischen, bayerischen und hessischen Landesgrenzen.
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